3. NICHT-MUSEUM ZEITGEMÄßER KUNST DRESDEN (NMZKD)
25. Juli 14 – 22 Uhr, Neumarkt
Ein Museum für zeitgenössische Kunst fehlt in Dresden. Nach der Wende war „An der Herzogin Garten“ die Stella-Kunsthalle ein ebenso gescheitertes Projekt wie 2007 der Neubau für das Quartier VI (Gewandhausareal) auf dem Neumarkt, wo ein Haus für zeitgenössische Kunst geplant war.
Genau an dieser Stelle wollen wir auf den aktuellen und zukünftigen Mangel aufmerksam machen, indem wir den Grundriss des damaligen Museumsareals, östlich versetzt auf dem Neumarkt einhegen, erkennbar machen, mit Kunst, Menschen und Leben als einer temporären Demonstration für die Kunst, die Künste bespielen.
Das eintägige Event auf dem Neumarkt ist die erste Maßnahme des Projektes; das Nicht-Museum zeitgemäßer Kunst Dresden soll weiterhin eine virtuelle Plattform zur Erweiterung und Intensivierung des Ansinnens erhalten, um auch auf diesem Weg die Auseinandersetzung mit gegenwärtiger und zukünftiger Kunst und ihrer Präsentation in der Stadt zu ermöglichen.
Die Crew DEI FUNK WuK, das PARASIT – Dresdner mobile EuropaInstitut fuer Neue Kunst, Neue Kulturarbeit, Kultur & Wissenschaft & Wirtschaft, ist aus der nahezu gleichnamigen Plattform-Gruppe innerhalb der Kulturhauptstadtbewerbung Dresdens hervorgegangen. Die derzeit zwölf Mitglieder der offenen Plattform sind bei sowohl bei Dresdner Kulturinstitutionen als auch als bildende und darstellende Künstler in den Freien Szenen verortet. Als eine von neun Plattform-Gruppen mit unterschiedlicher thematischer Fokussierung haben wir ab Februar 2019 eigene Projekte und Ideen zur Kulturhauptstadt Dresden 2025 entwickelt. Dazu gehören die Instituts-Gründung, das Vorhaben des INNOVATIVEN KUNST WERK HEIMAT sowie die Entwicklung von achtgliedrigen Residenzen zur Erforschung von Kunst, Wissenschaft, Wirtschaft und Künstlicher Intelligenz. Das Institut dockt mit seinen Projekten an bestehende wie behauptete Strukturen an und sucht sich reale wie fiktive Partner aus verschiedenen Kontexten, um Problemstellungen und Aufgaben auf innovative Weise anzugehen und neben dem KUNST WERK und der parasitären Institutsetablierung auch einen postfuturistischen Weltkongress im Dresdner Kulturpalast im Jahre 2025 vorzubereiten.
Eine erste, sehr erfolgreiche Präsentation dieser für Dresden zwingend notwendigen gedanklichen wie atmosphärischen Anschübe in den Zwischenräumen der Genres hat DEI FUNK WuK mit seiner Präsentation am 20.10.2019 und anschließenden Ausstellung im Showroom „Dresden Neue Heimat 2025“ im Deutschen Hygiene-Museum gegeben. Unter anderem haben wir in der Folge das Publikumsvoting unter den neun Plattformprojekten gewonnen. Nach der im Dezember gescheiterten Kulturhauptstadtbewerbung der Stadt Dresden erachten wir den Wert und die Dynamik von DEI FUNK WuK erst recht als fortführenswert und wollen eine dauerhafte Präsenz und Aktivität in der Stadt gewährleisten, die einhergeht mit der von Aktionen und Interventionen, die von der spontanen, kreativen und bürokratiefreien Aktion aus der Gruppe heraus bis hin zum Großprojekt variieren werden.
Hintergrund und Geschichte der NichtMuseen in Dresden
In der Geschichte der Stadt gab es immer wieder sehr unterschiedliche Bestrebungen und Initiativen, mit der Kunst der Gegenwart umzugehen, sie sichtbar zu machen und sowohl in einen musealen wie diskursiven Kontext zu stellen, damit eine Verortung innerhalb der Stadtgesellschaft vorzunehmen. Ein deutliches Bekenntnis zur jeweils aktuellen Kunst würde Identität schaffen, einen Ruf formen und festigen und natürlich sowohl nach innen als nach außen ausstrahlen. Dieses Bekenntnis etwa in Form eines angemessenen und damit zeitgemäßen Museums für Kunst der Gegenwart umzusetzen, hat in Dresden eine wechselvolle Geschichte erfahren, zuletzt etwa mit dem gescheiterten Bauprojekt im Quartier VI am Neumarkt, dem so genannten Gewandhaus-Areal. 2006 wurde dafür ein Architekturwettbewerb ausgeschrieben, den das Büro Cheret und Bozic Stuttgart gewann. Das Projekt hingegen wurde nie realisiert. Der Stadtrat kippte es nach einem Hauch von Bürgerprotest.
Noch vor dem Architekturwettbewerb am Neumarkt gab es bereits mit dem Stella-Areal an der Ostra-Allee kurz nach der Wende einen weiteren kurz behaupteten Ort für Kunst – der Neubau einer Kunsthalle stand zur Debatte. Nach Plänen des US-amerikanischen Künstlers Frank Stella sollten im Areal An der Herzogin Garten – eine historisch bedeutsame, nach dem 2. Weltkrieg verwahrloste Brachfläche – kugel- beziehungsweise napfkuchenförmige Bauwerke errichtet werden. In Anbetracht der Tatsache, dass dieses Vorhaben in direkter Nachbarschaft zum Zwinger vielen Bürgern und Politikern als zu futuristisch und respektlos erschien, ging es in einer jahrelangen Diskussion unter. Später wurden für dieses Areal im Rahmen studentischer Belegarbeiten an der Technischen Universität Dresden auch Pläne für ein Architektur- beziehungsweise Museumszentrum erarbeitet. Heute stehen dort einfallslose Investorenbauten und ein Stück aufgebauter Orangerie.
Das Projekt
Das Nicht-Museum zeitgemäßer Kunst Dresden wird auf dem Dresdner Neumarkt behauptet und bespielt, und zwar damit auf dem in den freien Raum gespiegelten Gelände des Gewandhaus-Areals Quartier VI. Damit wollen wir nicht etwa eine erneute Bebauung am gleichen Ort ins Spiel bringen, sondern eher die entstandene Leerstelle mit Kunst selbst würdigen und an einem vormals idealen Ort mitten in der Stadt auf Kunst hinweisen. Das soll zwar ernsthaft geschehen, aber gleichzeitig mit humorvoller und ironischer Lust an der Tat selbst und mit allen Impulsen, die dieser Gedanke, dieser Titel unter den Angesprochenen, Beteiligten und Besuchern auslösen kann. Aus diesem Grund haben wir von vornherein das Projekt selbst als künstlerische Aussage konzipiert, verschiedene Aktionsebenen beinhaltend – einige geplant, andere in der Interaktion mit Künstlern und Besuchern spontan oder wandelnd, unangesagt aufploppend.
Mit den auch selbstreflektierenden und ironisierenden Ansätzen regen wir einen kunstgemäßen spielerischen Umgang mit wichtigen Stadtfragen zu Wert und Wahrnehmung von Kunst an. Die Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Absurdität kann als Markenzeichen von DEI FUNK WuK gelten. Bei der Schau im DHMD war für die Besucher*innen bspw. nicht unbedingt erkennbar, ob es sich beim Modell einer Schnellverbindung mittels Seilbahn zwischen Fernsehturm und Gorbitz um eine ernsthafte Studie handelte. Entsprechend konnten wir viele interessierte Reaktionen erfahren.
Zwar ist das Werben für das NMZKD Hauptzweck der geplanten Performance, doch geradezu nebenbei weisen wir natürlich gemeinsam auch deutlich auf weitere Mangelsituationen, hier besonders auf die Flaute bei Ateliers, Proben- und anderen Arbeitsräumen für alle Künste.
Logo-Entwurf Nicht-Museum zeitgemäßer Kunst Dresden
Uns geht es mit dem Nicht-Museum zeitgemäßer Kunst vor allem um die überraschende Sichtbarkeit und Darstellung von Kunst und Künstler*innen im öffentlichen Raum sowie auch innerhalb eines – behauptet – geschützten wie auch konzipierten musealen Raumes sowie um mögliche und unmögliche urbane Kunstorte innerhalb von Dresden, und zwar gleichermaßen als (In-)Fragestellung und Behauptung. Damit werfen wir auch die hoch spannende Frage nach dem Museum der Zukunft in allen Aspekten auf. Wir behaupten, dass wir in der Lage sind, dazu einen vor allem aus künstlerischer Sicht geführten Diskurs in dieser Thematik anzustoßen. Die Fragestellungen nach sinnlichem und intellektuellem Raum von und für Kunst sind natürlich nicht auf Dresden beschränkt.
DEI FUNK WuK sieht sich dabei zwar als Motor und Motivator, aber ebenso als Beobachter, Chronist und Hinweisgeber innerhalb der Thematik, um aus ersten Signalen und Statements tatsächlich in späteren Jahren die Idee eines im Wortsinn zeitgemäßen Museums weiter zu verfolgen und zu realisieren. Dabei gilt: Auch die Widersprüchlichkeiten sind Programm.
Der NichtMuseums-Tag
Ort: Neumarkt, Gewandhausareal am Quartier VI, bzw. im verschobenen Grundriss davor.
Termin: Sonnabend, 25. Juli 2020 [im Kontext der KulturInseln Dresden]
Dauer: 14 Uhr bis 22 Uhr
Die erste Markierung und Erscheinung des Projektes wird gleichzeitig dauerhaft bis zum Ende des Projektes in der Nacht sichtbar sein, nämlich der Grundriss des Nicht-Museums, der sich vor dem Gewandhaus-Areal auf der Freifläche mit den Bäumen einige Meter in Richtung Luther-Denkmal erstrecken wird. Der Grundriss wird mit vier Winkeln aus Bauzäunen abgesteckt, dazwischen große Ein- und Ausgänge, die gleichsam Wand, Grenze, Innen und Außen bilden und sich im Laufe des Abends auch verwandeln wird, wenn auf ihr Kunst erscheint oder im Kontext der Rahmung unterschiedlichste Aktionen stattfinden werden. Zudem werden Künstler selbst zu ihren Kunstwerken, die je nach Genre und Absprache in unterschiedlichen Formen erfahrbar werden, anwesend sein und zu Gespräch und Austausch einladen. Am Abend wird ein performativer Abgesang durch Auditiv Vocal die temporäre Demonstration beenden.
Aktion und Bespielung
Es wird sowohl feste Spots von Aktionen als auch freie, spontane oder über eine längere Zeit laufende Aktivitäten geben. Zentraler Ort wird der durch den Grundriss geschaffene Platz sein. Hier werden Kunstwerke (bildnerische, textliche, musikalische, filmische) an und innerhalb der Begrenzung, durch Sandwich-(wo)-men auf dem Neumarkt wandelnd oder in anderen, jeweils mit den Künstler*innen abzustimmenden Formen im Original oder als Reproduktion präsentiert oder aufgeführt. Mit früheren Projekten der Protagonist*innen, z.B. der Motorenhalle, verbundene nationale und internationale Künstler*innen sind zur Beteiligung in digitalen oder ausdruckbaren Formaten eingeladen.
Indem das Spiel mit der Präsentation von Kunst Teil des Vorhabens ist, haben wir auch auf dem Neumarkt die Chance, auf einem Grat zu wandeln. Wir nehmen den Raum ein, den die Kunst in der Stadt nicht hat. Unter eigentlich unmöglichen Bedingungen, aber wie sonst, wenn es keinen Raum gibt, wird Kunst präsentiert, produziert, performt, aufgeführt. Bildende Kunst an Bauzäunen, wie in einem Schaudepot, Musik unter freiem Himmel, Tanz auf Kopfsteinpflaster, Lesungen im offenen Stadtraum, Videos kämpfen auf ihren Monitoren mit den Sonnenstrahlen. Aber, es ist mehr als nichts und es ist ein Fest. Das Nicht-Museum ist Behauptung und Pop-Up, Nachsinnen, Betrachtung und Bekenntnis.
Wir sprechen darüber, was ein Ort für heutige Künste inmitten der Stadt leisten, wie er beschaffen sein könnte. Und wir weisen damit natürlich auch auf weitere Mangelsituationen hin, so auf die Flaute bei Einkünften, bei Ateliers, Proben- und anderen Arbeitsräumen für alle Künste.
Um das Publikum noch stärker für die aktuelle Situation von Kunst und Künstler*innen zu sensibilisieren werden stellvertretend für ehemals zeitgenössische Kunst das Gemälde Einschiffung nach Kythera von Jean-Antoine Watteau aus dem Schloss Charlottenburg in Berlin sowie das Pastellbild Schokoladenmädchen von Jean-Étienne Liotard aus der Galerie Alte Meister in Dresden in die Aktion einbezogen und an einer bloßen Stellwand und immerhin unter dem schützenden Dach eines Pavillons in seinem goldenen Rahmen ausgestellt.
Künstler werden sich als Straßenzeichner tarnen und die Besuchern unter dem Vorwand einer kostenfreien Portraitsitzung in Gespräche zur Situation aktueller Kunst verwickeln.
Um gedanklich auch über das mit Kunst und Wissen zu flutenden Elbtal zu blicken, werden Gäste aus anderen Städten und Kulturräumen ihre Situationen einbringen. Ob dies nur verbal oder ebenfalls künstlerisch geschehen wird, zeigt sich im weiteren Verlauf.
Und vieles andere, auch noch zu Entwickelndes mehr.